Gleich einmal vorweg: Es braucht weder eine besondere, teure Ausrüstung noch exklusive Radwege um mit dem Fahrrad gut durch den Alltag zu kommen. Entscheidend ist alleine die richtige Einstellung. Jeder hat dabei andere Motivationsgründe um täglich aufs Rad zu steigen. Ich persönlich fühle mich einfach besser damit, es fühlt sich richtig an, es macht mich stärker und ausgeglichener. Bei mir hat das sicher auch was mit Archaik zu tun. Es hilft mir mich zu erden, wenn ich im Winter dem Schneesturm trotze und im Sommer der brütenden Hitze. Und das nicht nur in der Freizeit, sondern eben auch um täglich pünktlich ins Büro zu kommen. Raus aus der Komfortzone! Eine schon etwas abgedroschene Phrase, aber für mich bringt sie es trotzdem auf den Punkt.
Es gibt aber auch intellektuelle Gründe: Radfahren ist ökologisch und gesund. Im städtischen Bereich lebend, wollen Jasmin und ich unbedingt auf ein Zweitauto verzichten. Es ist für uns das „Symbol“ für einen unausgewogenen Lebensstil. Auch wenn man sich viel Geld spart, es ist nicht die Hauptmotivation. Wir versuchen in vielen Bereichen unseren Konsumgüterverbrauch zu reduzieren. Es macht uns irgendwie freier, der Blick fürs Wesentliche wird nicht mehr verstellt. Dabei will ich ganz und gar nicht den Zeigefinger erheben, das steht mir sicher nicht zu, immerhin versuchen auch wir unsere Reduktion von sehr hohem Niveau aus. Es ist schlicht und einfach unser Weg zu mehr Zufriedenheit.
Viele Jahre hat mich mein über 20 Jahre altes Mountainbike durch Wind und Wetter getragen. Mit den wichtigsten Utensilien für den Alltag (Kotflügel, Akku-Licht) aufgepimpt, war das auch wirklich eine tolle Option. Zum 40. Geburtstag habe ich mir dann aber mein Traumfahrrad geschenkt. Danke an dieser Stelle auch an Familie und Freunde, die dies mit einem durchaus nennenswerten Beitrag unterstützt haben. Es ist nach reiflicher Überlegung ein „Kagu“ des Vorarlberger Herstellers „Simplon“ geworden.
Bei der Auswahl der Komponenten und Ausrüstung lege ich generell viel Augenmerk darauf, dass sie langlebig sind, und mir möglichst den Radler-Alltag erleichtern. Es gibt schon sehr viele Hürden, die einen sonst vom täglichen Fahren abhalten können: „Wieder nicht die richtige Kleidung dabei. Gestern war mir zu kalt, heute zu heiß – schon wieder eine Hose unbrauchbar, weil an der schmierigen Kette gestreift – bei dem Wetter heute bin ich rund herum nass und voll Dreck bis ich im Büro bin – die Licht-Akkus sind schon wieder leer und funktionieren bei der Kälte ohnehin nicht ordentlich – die Schaltung muss endlich wieder eingestellt werden – heute habe ich wieder das Notebook und noch einiges anderes zu transportieren, das passt alles gar nicht in den Rucksack – …“.
Hier daher meine 5 wichtigsten Ausrüstungs-Tipps für Winter-Alltags-Radler:
Wartungsarmut: Im Mittelpunkt steht dabei die Rohloff 600 Speedhub Nabenschaltung. 14 perfekt abgestimmte Gänge in einem gekapselten Getriebe. Aufgrund ihrer Robustheit besonders bei Reiseradlern beliebt, liegt der Vorteil für Alltagsradler schlicht und einfach darin, dass ein geschlossenes Getriebe, im Gegensatz zu einer Kettenschaltung, nicht verdreckt und vom Streusalz zerfressen wird. Die Leichtgängigkeit auch nach mehreren Jahren intensiver Nutzung ist wirklich beeindruckend. Auch die Hydraulik-Scheibenbremsanlage und alle anderen beweglichen Teile laufen nahezu wartungsfrei.
Sauberkeit: Wer auch einmal bei schlechtem Wetter im Anzug und mit sauberen Schuhen zum Termin muss, für den ist dieser Punkt wichtig. Das war mit dem Mountainbike wirklich mühsam. Bei meinem Kagu sind die Kotflügel perfekt auf das Gesamtkonzept abgestimmt. Sie verlaufen eng am Reifen, sind breit und weit nach unten gezogen. Schmutziges Spritzwasser von den Reifen her gehört damit der Vergangenheit an. Ganz wichtig: Durch die Rohloff Speedhub sind keine schmierig-schmutzigen Teile mehr außen am Rad, einzig die Kette und die wird vom Chainglider abgeschirmt. Lieber wäre mir hier ein Zahnriemenantrieb gewesen, aber die hatte mein Hersteller (noch) nicht im Angebot.
Licht- und Bremsanlage: Seit dem ich tatsächlich fast täglich fahre, ist mir gerade im Winter das Laden der Akkus für die Beleuchtung und das herumfummeln an den Komponenten zu mühsam geworden. Abgesehen davon, dass die Akkus bei unter -10° häufig „brechen“, das hat dann durchaus zu gefährlichen Momenten geführt. Wirklich ein Traum ist die Beleuchtungsanlage an meinem Kagu: Der Frontscheinwerfer „IQ-X“ Busch & Müller liefert unglaublich viel und vor allem gleichmäßiges Licht (fast wie das Abblendlicht eines PKW). Versorgt wird er von einem hocheffizienten Nabendynamo. Dieser läuft immer mit, daher gibt es auch Tagfahrlicht. Ein kleiner Stromspeicher sorgt für das Standlicht, nicht unwichtig, wenn man an einer Kreuzung steht.
Eine Hydraulikscheibenbremsanlage ist für Alltagsfahrer die ideale Wahl, sie funktioniert bei jeder Witterung und ist nahezu wartungsfrei. Die Bremsbeläge verschleißen zwar relativ schnell, das ist aber für meinen Zweck egal. Für eine längere Radreise würde ich aber einfache Felgenbremsen mit Bowdenzügen bevorzugen.
Reifen: Ein häufig unterschätzter Aspekt ist die Wahl der richtigen Räder und Reifen. Meine Schwalbe „Big Ben“ Ballon-Reifen funktionieren auf fast allen Untergründen (auch bei Schnee) und bieten vor allem sehr viel Sicherheit, weil sie bei jeder Temperatur guten Grip haben. Auch hier ist das Gesamtkonzept wichtig. Mein Kagu hat einen relativ steifen Rahmen und keine Federgabel. Die Ballonreifen sorgen daher auch für höheren Fahrkomfort.
Packtaschen und Kleidung: Einer der überhaupt häufigsten Verhinderungsgründe des Alltags-Radlers ist die geringere Spontanität und Flexibilität. Ändert sich spontan was am Terminplan, am Wetter, oder sonst was, steht man schnell einmal blöd da. Wichtig ist daher, dass man zu jederzeit für möglichst viele Situationen gerüstet ist. Ich habe daher immer eine Packtasche (von Vaude) mit Kleidung dabei: Regenschutz sowieso, aber auch „Kleidungsschichten“ für akkurate Temperaturwechsel. Bei Morgens -8°, Mittags +6°, und Abends 0° würde ich sonst ständig abwechseln frieren und schwitzen. Ebenso im Winter immer dabei: Sturmhaube – passend unter den Helm, und unterschiedlich dicke Handschuhe. Kleidung hat nicht viel Gewicht, daher sicherheitshalber ein Stück zu viel als zu wenig. Eine zweite Tasche habe ich immer für den möglichen Transport des Notebooks und anderer „Arbeitsgeräte“ dabei. Der Tubus Logo Gepäckträger ist ein richtiges Lastentier und die Taschen lassen sich mit nur einem Handgriff ein- und ausklippen.
Ich hoffe ich kann die eine oder den anderen von euch fürs Radfahren (auch im Alltag) begeistern. Je mehr Radfahrer wir sind, desto mehr können wir auch die öffentlichen Straßen für uns erobern.
Noch ein 6ter Tipp: Mit dem Alltagsradeln nicht unbedingt im Winter beginnen. 😏 Aber in wenigen Wochen, wenn der Frühling beginnt, ist definitiv die beste Zeit dafür!
Antworten auf eure häufigsten Fragen:
Ist das Fahren im Winter nicht auch gefährlich?
Ein klares Jein! Natürlich gibt es auch einmal spannende Situation, zum Beispiel bei gefrierendem Regen oder, wenn naßer Schnee in den Morgenstunden gefriert und regelrechte Eisrillen entstehen. Aber im Grunde verhält es sich nicht anders, als wenn ich zufuß oder mit dem Auto unterwegs bin. Ich muss mein Verhalten jedenfalls an die Situation anpassen. Es ist an solchen Tagen sicher nicht weniger wahrscheinlich, dass ich auf einem eisglatten Gehsteig ausrutsche. Solche Extremsituationen gibt es in unseren Breiten aber relative selten. Das gefährlichste für uns Radler sind und bleiben rücksichtslose Autofahrer, und zwar egal bei welchen Wetter. Allerdings sind das wirklich nur einige wenige und davon wiederum die wenigsten sind wirklich aggressiv gegenüber Radfahrern. Die anderen haben einfach kein Gespür für Verkehrssituation und mögliche Gefahren, da fehlt offenbar die Empathie. Ich gehe davon aus, dass jenen der Überblick ganz allgemein fehlt, aber beim Autofahren wird das besonders deutlich. Ich halte es aber für kompletten Unsinn die Autofahrer als Feindbild der Radler auszurufen, wie es manche Kollegen leider machen. Wir können durch richtiges Verhalten am meisten selbst dazu beitragen, potentielle Gefahrenmomente zu entschärfen. Aber ein Restrisiko bleibt natürlich immer. Zu diesem Thema werde ich sicher einmal einen eigenen Artikel schreiben.
Ist die Performance einer Nabenschaltung mit der einer Kettenschaltung vergleichbar?
Vorweg muss ich einmal sagen, dass ich kein ausgesprochener Technikexperte bin. Ich interessiere mich zwar für die Technikthemen rund um das Radfahren, aber ich kann nur von meinen persönlichen Erfahrungen und dem was ich anderswo gelesen habe berichten (meistens die Magazine Trekking Bike – jetzt MyBike oder BikeAdventure). Was die Kraftübertragung anbelangt ist die Rohloff Speedhub denke ich unschlagbar. Ein derart direktes Gefühl habe ich vorher nicht gekannt. Das liegt sicher zu einem großen Teil daran, dass die Kette immer gerade läuft und dadurch keine Reibungsverluste auftreten. Das fühlt sich wirklich ungewohnt geschmeidig an. Zusätzlich gibt es so gut wie keinen Verschleiß, das heißt die Performance bleibt 1000de KM lang erhalten. Da müsste man bei einer Kettenschaltung sehr viel putzen, pflegen und erneuern. Die Gesamtübersetzung von 526%, gleichmäßig aufgeteilt auf 14 Gänge, empfinde ich als perfekt. Für mich der einzige spürbare Nachteil am Rohloff-Getriebe ist, dass ich beim Schalten etwas an Tretdruck raus nehmen muss. Daran musste ich mich anfangs erst gewöhnen. Das wäre für mich als Rennfahrer wahrscheinlich ein Knock-Out-Kriterium, aber für meine Zwecke spielt das eigentlich keine echte Rolle. Dafür kann ich mit der Rohloff im Stand schalten, was wirklich hilfreich ist. Etwas schwerer ist das Getriebe natürlich auch, aber Unterschiede im Gramm-Bereich spielen für Alltags- und Reiseradler ohnehin keine Rolle. Der Anschaffungspreis ist doch empfindlich höher als beispielsweise der einer Shimano XT, doch den wiegt für mich die Langlebigkeit mehr als auf.
